Rubrik


« |Home | »

WENN DIE KATZE EIN PFERD WÄRE

Pferde gehorchen mir einfach nicht, wegen meiner Unart, die Zügel schleifen zu lassen. Die ersten Versuche endeten im Graben und der Ratschlag, ich solle die Reitpeitsche gebrauchen, bewirkte das Gegenteil: Ich stieg vom Pferd und bin nie wieder aufgesessen. Man darf mich einen Absteiger nennen; ich muss nicht um jeden Preis reiten. Nun aber holt mich meine Vergangenheit wieder ein. Baron Münchhausen will seine Späße mit mir treiben, mir eine Fantasiegeschichte aufzwingen. Seit Tagen verfolgt mich diese alptraumhafte Pferdehälfte, dessen Hinterteil einer Katze gleicht. Ein Ritt durch Bäume soll damit gelingen. Erste Notizen entstehen, Gedanken über den Sinn eines Steigbügels, weil ich nicht wirklich aufsteigen will. „Wenn die Katze ein Pferd wäre, könnte man durch die Bäume reiten“, so lautet der Arbeitstitel. Ich sträube mich gegen dieses Paradoxon, das längst zu einem geflügelten Wort geworden ist und mit der Möglichkeit des Unmöglichen spielt. Ist es wirklich ein Pegasus, der da dem Blut der Medusa entspringen soll oder ist es nur Unvernunft? Ich rücke mein Blatt zurecht und notiere, warum der besagte Ritt eigentlich nicht funktioniert, weder auf einem Pferd, noch auf einer Katze. Es gibt Gesetze die sich nur schwer oder gar nicht verschieben lassen. Wir kommen nur daran vorbei, an den Bäumen, links und rechts der Rinde, im Tunnel einer Allee oder durch den Wald als solchen. Es ist vielleicht noch vorstellbar, mit einem festen Pferd und wenn man die Zügel beherrscht durch eine Baumkrone zu springen. Doch so ein Husarenstück gelingt meist nur im Film. Die Wirklichkeit geizt mit schwerelosen Taten. Ross und Reiter sind nicht so schlüpfrig wie Regen, Licht oder Wind. Nur von Insekten weiß man es sicher, sie schwirren durch Blattwerk und Geäst, als bestünde so eine Krone aus Freiheit. Alles scheint endlos zu sein, es schillert und summt und surrt. Ein Weltall, Ewigkeit, wenn man so will. Doch beobachte ich einen Vogel, dann verrät sein sprunghaftes Flattern, dass da und dort Grenzen sind. Die Flügel streifen den Rand des Fluges. Je sperriger das Tier, desto unbequemer wird es in der Baumkugel. Die Hindernisse wachsen proportional. Kaum noch Spielraum bleibt einer Katze, die dem Vogel nachstellt und sich dabei verrenkt. Jeder Zweig erzwingt einen Umweg. Und mir, dem Dichter, geht es nicht besser dabei. Ich ecke an, fühle mich beengt: Dieses Thema konstruktiv zu verwandeln weckt in mir Abneigung. Soll ich den Unfug wagen, mich auf ein Querfeldeinspringen einlassen und sorgenlos über alle Naturgegebenheiten hinweg fantasieren? Ich mag mich nicht recht überwinden. Und doch bleibt ein Restreiz, dieses Thema in Worte zu fassen und als Aberwitz aus dem Federhalter zu saugen, als hätte ich nichts wichtiges zu schreiben? So drehe ich am Federhalter, spiele mit meiner Unterlippe, male das Fragezeichen fett aus. Meine Frau blickt mir über die Schulter, schmunzelt und schüttelt mitleidig den Kopf. Sie hat wohl recht, sie verdient unser beider Geld in der Wirklichkeit. „Armer Poet!“, streicht sie mir über die Wange und lässt mich allein. Ich frage mich, warum die Katze nicht Katze und das Pferd nicht Pferd bleiben darf. Will jemand reiten, so spannt er sich ein Ross ins Geschirr und kommen ihm die Mäuse zu frech, dann lässt er seine Katze los. Aus dem jeweiligen Zweck leitet sich das Mittel ab. Ein Pferd taugt nicht zum Mäusefang, weil es Angst vor Mäusen hat. Nicht umsonst verordnet man Scheuklappen. Es werden mehr Rösser durch Mäuse verletzt als umgekehrt. Nun aber stelle man sich einmal vor, das Reittier wäre eine Katze, deren archaischer Reflex die Jagd ist. Ein wilder Ritt durch das Unterholz würde anheben. Schnurstracks der Maus hinterher, mit allen Konsequenzen für den Reiter. Der theoretisch erwogene Rollentausch zwischen Pferd und Katze schafft Probleme in der Praxis. Man riskiert unberechenbare Folgen, wenn man die Vorzeichen vertauscht. Was lässt sich noch berechnen, wenn die Katze zum Pferd wird? Moden und Launen mögen zwar vieles beflügeln, aber auch Bruchlandungen sind möglich. Schnell gelten die Regeln der Dressur nicht mehr. Eine Katze sattelt sich nicht wie ein Pferd, weder Sporen noch Peitsche machen sie gefügig und im Gegenteil, sie faucht, wird erst recht rebellisch. Angenommen, ich würde mich ernsthaft auf eine Katzen-Pferd-Geschichte einlassen, so könnte alles geschehen. Ich bräuchte weder Not noch Skrupel zu haben die Wirklichkeit aus den Angeln zu heben. Der Fiktion sind keine Grenzen gesetzt. Jeder Irrsinnige darf durch die Bäume galoppieren. Träume tun nicht weh. Der Utopie ist es gleichgültig, ob irgendein Don Quichotte auf seiner Rosinante gegen Windmühlen reitet oder eine geklonte Katze zu einem Pferd mit Holzwurmeigenschaften mutiert. Die Schreiberei erlaubt ein zügelloses Dichten, denn sie speist sich aus dem Weltall einer Baumkrone. Mir stellt sich dennoch die Frage, ob man alles schreiben darf. Meine Bedenken liegen auf der Hand: Sobald die Ideen außer Acht geraten, sie ins Übernatürliche verwünscht und zu steril werden, bleibt immer weniger Gefühl und Mitgefühl übrig. Überspannt der Autor den Bogen ins Nichtreale, verlieren sich die schöpferischen Qualitäten wieder. Das Unglaubliche ist dann so unglaublich, dass es jeden Geschmack verdirbt. Es ist so als würde ich meinen Kaffee bis zum Rand voll Zucker rühren. Irgendwann überschreitet man den Höhepunkt und fällt wieder ab, jenseits aller Empfindungen. Don Quichotte ist eine Fiktion und seine Geschichte nicht das Leben. Ein Märchen nur, ebenso wie Robinson Crusoe oder Huckleberry Finn. Doch hier spüren wir das Unechte kaum und erfahren von Menschen, von deren Wünschen, Ängsten und Träumen, wir erfahren uns selbst. Die Zutaten sind genau bemessen, nicht zu süß, nicht zu bitter. Das eigentlich Unglaubliche wird uns schmackhaft gemacht. Es fällt dem Leser leicht, in eine verrückte Welt einzutauchen. Der Zugang zur Literatur findet über jenes Gefühl statt, das die erfundene Geschichte für menschenmöglich hält. Diese Identifikation lässt Fantasiegestalten über himmelhohe Bohnenranken ins Wunderland steigen, ohne dass diese Absurdität als Betrug empfunden wird. Fabulieren ist nicht gleich lügen. Wie echt oder wie täuschend ein prosaisches Stück letztlich wirkt, hängt von den Kunstgriffen des Verfassers ab. Kann er geistreich verzaubern und berühren, dann kommt niemand auf die Idee, ihn der Lüge zu bezichtigen. Ihm wird erlaubt ein Künstler mit Freiheiten zu sein. Aber wo endet diese Freiheit und wer sagt ihm, wann sich seine Geschichte vom Gebrauchswert entfernt, in den Sog des Wahnsinns gerät, den Kopf des Leser verdirbt? In diesem Sinne laufen Schriftsteller immer Gefahr, Fallensteller zu sein, irgendwo zwischen gutgemeinter Pädagogik und übelster Seduktion. Der Grat ist dünn wie eine Buchseite. Lenkt die literarische Vorstellung dahin, dass die Katze auch ein Pferd sein kann, mit dem ein Ritt durch die Bäume möglich ist, so darf sich der Autor nicht darauf verlassen, dass jeder diese Fiktion erkennt. Man ahnt schon das Dilemma: Ein Hinweis, dass die Geschichte unsinnig und nicht zur Nachahmung empfohlen ist, müsste angebracht werden, ein Beipackzettel, der vor Nebenwirkungen und Risiken warnt, eine Kontraindikation für Leute, die sich die Literatur zu Herzen nehmen. Ein Fräulein von Laßberg, um hierzu ein Beispiel zu nennen, hat sich wegen „Die Leiden des jungen Werthers“ in der Ilm ertränkt. Bevor man sich also an Goethe heranwagt, sollte das Belastungs-EKG stimmen. Oder denken wir an H.G.Wells, der eine Massenhysterie auslöste, eine panische Flucht vor Marsmenschen, die nur in der literarischen Fiktion existierten. Ob Selbstmord oder volkswirtschaftlicher Schaden, jeder Schriftsteller kann wie ein Brandbeschleuniger wirken. Literatur wird immer ein Trojanisches Pferd bleiben, das macht ihren besonderen Reiz aus. Die Spannung, dass etwas Verborgenes zum Vorschein kommen könnte, hält gefangen. Dieser Hinterhalt ist vom Autor beabsichtigt, vom Leser erwünscht. Spielt eine Katze die Hauptrolle der Geschichte, so darf es keine gewöhnliche Katze bleiben. Irgendwann muss der Pferdefuß sichtbar werden, eine Wende eintreten welche die Symmetrie verletzt. Doch dieser Bruch mit der uns vertrauten Welt kann auch das Abkippen der Geschichte bedeuteten. Der harmlosen Fabel könnte ein Untier entkommen. Unser Ritt durch die Bäume, falls die Katze ein Pferd wäre, birgt diese teuflische Versuchung dem Leser etwas Böses anzutun. Der Autor wird zum Täter, das Schreiben zur Machenschaft, seine Worte zum Stoff. Der Leser gerät in die Abhängigkeit seichter Drogen und in ein triviales Milieu. Soll ich meine Fantasie in eine Begegnung dieser unheimlichen Art münden lassen, schlechte Science Fiktion anbieten? Wieder stellen sich mir die Haare auf, weil ich ein Heer von Robotern marschieren sehe, deren Uterus ich selbst bin. Aus der nackten Singularität eines Wurmloches schlüpfend bemächtigen sich diese Aliens meiner Baumkrone. Die Welt wird überall gleichgeschaltet und wir Poeten werden zu konformen Schreibmaschinen. Die Macht unserer Poesie geht verloren, um das Pferd in eine Katze zurückzuverwandeln. Aus der dunklen Materie gibt es kein Entrinnen, jeder Lichtblick wird aufgesaugt. Raum und Zeit entschwinden in einer unendlichen Geschichte. Technotoren sprengen das Sonnensystem, trinken Sauerstoff und sagen stereotype Sprüche auf. Nightmare-Monster bilden Metastasen aus, kybernetische Organismen, denen vielfach Köpfe nachwachsen, sobald man einen nur abschlägt. Die apokalyptischen Reiter haben – um das Thema erneut zu bedienen – Katzen gesattelt. Der Zeichentrick kriecht aus dem Nachmittagsprogramm. Es ist die Halbwelt der Transformer und Power-Rangers. Mirakulix reicht seinen Zaubertrank für hyperaktive Kinder, den Wunschpunsch der schlaflosen Nächte. Ich erschrecke vor meiner eigenen Fantasielosigkeit. So schnell kann man Alpträume machen. Die Vorzüge der Fiktion sind schnell verbraucht, wenn der Autor zügellos dahingaloppiert. Der Gaul geht mit ihm durch. Ein harmloser Ausritt auf einer Katze wird zur Hetzjagd ins Absurde, dorthin wo das Unmachbare machbar, das Natürliche unnatürlich, das Sinnliche übersinnlich wird. Plötzlich ist auch das Leid schmerzlos, die Empfindung schrumpft in sich zusammen. Es kommt zum Mega-out. Unsere Kinder verlieren jede Sprache, werden zum Fall der Logopäden. Sie müssen fortan Beruhigungssäfte trinken gegen das Verlangen, sich mit aller Gewalt ausdrücken zu wollen. In einem Land transparenter Bäume und Pferdekatzen frisst die Fantasie ihre eigenen Helden. Unsere Huckleberry Finns werden atomisiert und in den Spiralnebel des Virtuellen katapultiert. Ich versuche mir entgegenzuhalten, dass diese Katze-Pferd-Geschichte auch behutsam angegangen werden kann, mit Feinsinnigkeit und Gespür. Gewiss, ich habe eben den Teufel an die Wand gezeichnet und übertrieben. Aber ich stecke in einer Zwickmühle, da reagiert man über. Mein Problem ist, dass ich weder so noch so schreiben möchte, nicht unsanft, nicht sanft. Ich will die Welt nicht auf den Kopf stellen und auch keinen Kopfstand veranstalten. Supermann ist mir zu fantastisch, Hampelmann zu albern. Meine Helden wünsche ich mir dazwischen. Es sollen gewöhnliche Helden sein, normale Menschen und ihre alltäglichen Taten. Mehr nicht, weniger auch nicht. Träume die uns betreffen, Visionen die fern aber greifbar sind, Sorgen die man beheben kann – das wäre mein Thema. Nach einem Land wo die Katze ein Pferd sein muss, weder Fleisch noch Fisch, habe ich keine Sehnsucht. Ein solches Land beschäftigt ihre Dichter nur mit abstrakten Rechenaufgaben. Wenn die Katze (A) ein Pferd (B) wäre, könnte man durch die Bäume (C) reiten? Ein Grenzwert? Pferd durch Baum, bleibt wie viel Katze im Sinn? Erstellen Sie eine Textanalyse! Berechnen sie das Versmaß für folgendes Gedicht:

unter meiner birnenpalme

zehrt von meiner beere
und deren ungestalt
verzaubert zum liköre
geist erfüllt euch bald
bringt herbei den kater
durch räumlichkeit und zeit
es sattelt sich mit schatten
des baumes blätterkleid

denkt euch alle himmel
und blitze bläulich schön
in ungezähmten bildern
will alles blind geschehn
pferdeblicke strahlen
katzenschlitze rund
rosa linsen malen
scheinheile welt gesund

Mir kommen surrealistische Bilder in den Sinn. Rene Magrittes Carte Blanche scheint meinem Horror-Thema Pate gestanden zu haben. Eine zerstückelte Dame mit Pferd reitet durch die Bäume. Die Täuschung gelingt, aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick fühle ich mich betrogen. Das Gemälde befremdet mich. Bei Hieronymus Bosch und Salvador Dali geht es mir nicht besser. Für mich sind beide irgendwie Tierquäler. Der eine spannt Vögel ins Geschirr, der andere steckt sie in Brand. Woher nimmt der Künstler dieses Recht, Dinge anzusprechen oder auszumalen, Dinge, die unanständig sind? Woher nimmt er das Recht, verwerfliche Möglichkeiten zu erwägen? Da kommen Pferde auf Stelzenbeinen daher, Giraffen brennen lichterloh und Elefanten tragen Altäre oder nackte Frauen. Die Fantasie wird zur Gebetsmühle, zum Exorzismus, zur Mystik. Mit Dali ziehen surrealistische Rauchschwaden auf, vernebeln den Sinn und wabern dorthin, wo Seeschwalben Meerkatzen und Meerkatzen Seepferdchen sind. Im Grunde ist der ganze Surrealismus eine Albernheit, ein dummer Streich. Unsere Wahrnehmung wird genarrt. Bauteile, die unsere Vorstellungskraft braucht, werden einfach ausradiert oder dort hinzugefügt wo sie stören. Aber die Wirklichkeit lässt mit sich nicht spielen, ganz egal was wir uns einbilden. Wir können uns auf den Kopf stellen oder verrückt werden, die Welt ist keine Auslegungssache. Möchte ein Literat sich inspirieren lassen, so sollte er besser die Laboratorien der Welt besuchen. Dort werden die realen Unglaublichkeiten gezüchtet, Dinge für die noch keine Namen erfunden sind. Äpfel, die sich wie Bananen schälen lassen; Kühe, aus deren Euter Ziegenmilch fließt; Mäuse, denen ein menschliches Ohr entwächst. Was bleibt dem Künstler? Welchen Wert hat der Baumritt? Die Wissenschaft arbeitet längst daran – ohne verklärtes Dichtergehabe, ohne dem gesunden Empfinden einen Streich zu spielen. Es geht wirklich an die Substanz. Ross und Reiter will man in deren Bestandteile zerlegen, durch das molekulare Gittergeflecht des Holzes sieben und auf der Hinterseite wieder zusammenzufügen. Es ist nur Frage der Zeit, wann die ersten Gegenstände von da nach dort transportiert werden, so wie man Fernsehbilder sendet und empfängt. Unlängst glückte schon die Teleportation von Quanten. Und weil unsereins nichts anderes sein soll als ein Quantenzustand, so glaubt man, können irgendwann auch Menschen per Rundfunk übertragen werden. Was bleibt mir als Literat zu schreiben? Ein Kommentar etwa, dass mich diese Entwicklung besorgt, dass ich sie für unnatürlich halte und ich darin eine Demontage der Schöpfung sehe? Soll ich die Frage erörtern, was mit Geist und Seele bei einer Teleportation geschehen könnte? Geht das Menschliche womöglich in der Maserung des Baumes verloren? Oder aber soll ich im Gegenteil eine Hymne auf die neuen Technologien komponieren, einen Lobgesang anstimmen, der mit der Leistungsfähigkeit moderner Teilchenbeschleuniger wächst? Oder weder noch, weil sich ein Schriftsteller nur um die Sprache zu kümmern hat, zeitlos und selbstgefällig? Je mehr ich schreibe erkenne ich, dass die Welt kein dünnes Blatt Papier ist, auf dem sich alles leicht zusammenreimen lässt. Auch wenn es mir gefallen würde, nur mit den Armen zu rudern, um fesselfrei in die Lüfte zu steigen, es bleibt mir verwehrt. Ich bin kein Vogel, will es nicht sein. Ich liebe die Last des Menschlichen. Und ich liebe das Menschenmögliche. Beides, Bodenhaftung und Traum, lassen mich wirksam werden. Ich folge gerne in Gedankenwelten, aber nicht ins Sterile, ins Absurde. Ich habe mir einen Standpunkt erarbeitet den es zu vergrößern gilt. Dalis Bilder engen meinen Blick jedoch ein, weil jeder Pinselstrich dominant ist. Seine Giraffen lassen mich kalt, ihr Brennen ist nicht feurig, sie rauchen wie Schornsteine. Sie zeigen kein Gefühl, was sollte ich von ihnen lernen? Stolz, überheblich, ungerührt schreiten sie durch eine Szenerie, die nichts mit der Welt gemein hat, die ich liebe. Warum blutet das Pferd von Magritte nicht? Wieso dürfen Zeichentrickfiguren in Lavaflüssen ertrinken und von Dampfwalzen überfahren werden ohne dabei auch nur eine Miene zu verziehen? Für mich endet hier die Fantasie, ich sehe Täuschungsversuche. Manche mögen gelungen sein, die meisten aber sind billig. Und hier endet auch mein Versuch, ein Thema auszuwalzen, das nie mein Thema werden wird. Die Katze darf Katze und das Pferd Pferd bleiben. Da pflichtet mir sogar Huck Finn bei, mit dem ich mich um Mitternacht auf dem Friedhof von St.Petersburg treffen will. Er hat eine Hexerei vor. Die Katze der Witwe Douglas verwirkte nämlich ihr siebtes Leben und Huck muss sie in geweihter Erde bestatten. Seine Warzen verschwinden dann, hat ihm Tom Sawyer verraten. Mich braucht er wegen der Zauberformel und weil ich rote Haare habe. „Aber wenn etwas schief geht?“, fragte ich ängstlich. „Was soll schon schief gehen, Wolfgang?“, lachte er mich spöttisch aus. „Die Geister der Toten, Huck, die Geister…“, warnte ich. „Teufel auch – es klappt! Um Mitternacht will ich dich an der Mauer sehen und keinen Glockenschlag zu spät!“, verlangte Huck. Er schwor einen Eid aufs Schwert und unterschrieb mit Blut, dass er es selbst zum Abdecker reiten werde, sollte je ein warziges Pferd aus dem Katzengrab steigen.

Themen: 06: TEXTE |