12: LYRIK IV
MINERVA
Ich lieb dich, Eule, wie du bist, so unheimlich und dunkel, deinen Blick, der vieles spricht. Wer bin ich, Eule, liebst du mich, willst du es mir nicht heulen? Genügsam macht ein Schimmer Licht. Weisheit müssen wir wohl jagen, bis einst die Schwinge bricht, dem Kriechen in den Nacken schlagen, mit Schnabel und Gedicht.
ICH DIR
Ein gehobener Schatz ist verlorener Reiz. Allein dein Suchen macht reich, die tiefe Sehnsucht reif. Wenn dir an Worten fehlt, dann weine, wüte oder lache, nur ersticke nie. Zeige dich in deinem Stolz ganz. Ich liebe ganz deinen Stolz, den Hochmut nie, nur deinen wunderbaren Stolz, deine wunderbare Würde. Ihn zu bewahren und hüten, will […]
ZEITFLUSS
Einen stillen Duft hat die Zeit und bunt ist ihr Fließen. Der Herbst winkt Blättern hinterher, bläht ihre welken Segel die Flüsse hinab. Entlang der Steine schmiegt sich das Wasser und murmelt jede Kante rund, formt mit Geduld und Gewissheit Gebirge zu Sand.
ÜBERBRÜCKUNG
Zwischen den Ufern und gegenüber spiegelt jede Brücke ihr Wesen, Verlangen zu stillen. Entgrenzung ist ihr Werk, Verbrüderung. Fließen und Fluß sind der Ansporn, nie Hindernis, nie Überwindung. Und die Freiheit einer fremden Sicht ist jeder Brücke Lohn.
STILLE EINSICHT
Befriedigung will mehr als nur Vorspiel sein, sich verrückt fühlen vor Lust und drängend. Es schon Liebe nennend, würde jeder Gedanke Sucht, jeder Atemzug Abhängigkeit. Liebe heiligt keinen Selbstzweck, macht keine Falschheit wahr. Wer liebt bedrängt und drückt nie was er zu lieben meint.
GREIFBAR
Gerne rede ich Ausreden, ertappe mich beim Entpflichten und Winden, warum es so oder so und so sein müsste. Doch meine lausige Feigheit und Nichtstandhalten, die kleinschrittigen Tritte auf diebischen Spitzen und das Spüren, nur halbselig bekennend zu sein, höhlen mich immer mehr ein. Wie lange darf ich entschlüpfen, euch weinerlich tun und nie greifbar […]
ARG VERTRAUT
Die Zeit mich tragend treibt. Mein Boden, wo ich schreite. Kaum Ziel vor Augen, aber sehnend, suche ich das Weite. Die Nähe ist mir arg vertraut und drängt mich zu erblinden, drum fahre ich, ich fliege, flieh, bin steigend mit den Winden. Die Zeit mich treibend trägt, dass ich mir still gehöre und nie den […]
SEELENRAUM
Im Urgrund meiner Seele ruht das Universum allein. Dehnt sehnend sich im Herzen aus, schließt alles sich ein, will Kleines ahnend fassen und so das Große sein.
HEIMWEH
Unverbindlich zu sein gelingt dir auch vogelfrei nicht. Der Lohn für Wanderjahre wird in Sehnsucht bezahlt. Ein Blick aufs Fremdland, das andere Heimat nennen und du heimlich neidest, sucht Geborgenheit; den Talgrund aller Schritte.
NOVEMBER
Restzeit wird hörbar: Im Rauschen der Blätter klingt Abschied und nimmt ihr Fallen vorweg. Da sich Abendlicht herbstscheu zeigt und jede Wärme uns nimmt ist diesseits Klage, ist diesseits Klage, ist diesseits Klage. Wäre nicht Holz zu schneiden? Zittern und Ahnen macht nirgendwo Feuer.
SPRINGE NICHT
Unten ist kein Fluss für dich, die Brücke nicht abwärts gebogen, um deine Sehnsucht fallen zu sehen. Nimm den Mut, statt zu vergeuden, und schlag Alarm, statt auf! Gehe Schritt für Schritt weiter, überbrücke dein Leid und bleibe uns ganz wie du bist, unzersprungen.
KEIN HUT
Werd ich würdig sein unter den Hutmenschen, die an meinem Schacht vorbei ziehen, dieses Ding vielleicht ziehen? Bin doch nur Mützenmensch gewesen, einfach genau der geblieben, kann nur die Mütze nehmen, kein Hut.
FLOH IM OHR
Ich mag den Leichtsinn, sein keimendes Denken, auch rotzfrechen Bazillen Gehör noch zu schenken.
UNVERREIMBAR
So gern würd ich ein Trinklied schreiben, doch ohne Geist löst sich kein Reim. Bloß, trink ich los, es wird zum Weinen, lässt mich der gute Ton allein.
VERSPROCHEN
Worte hätten es werden sollen, ein Schwall kam heraus, so schnell, so unbedacht, dass alles vergossen war. Nichts mehr zu fangen, nichts mehr zu klären. Zu kühlen mit allen Händen, Mündern und Brunnen der Welt nicht. Wie kann es nur sein, wenn hitziges Blut stockt, dass jede Flüchtigkeit zur Grabkammer wird?
UNBERÜHRBAR
Ausdruck mit Schwerkraft, bestimmt zu beschützen das Beste in dir. Für mich Augenweide und Ohrenschmaus. Da dürfen getrost Schnörkel splittern, dein Kern bleibt unberührt.
VERSPRECHUNGEN
Ein Summen geht durchs Geäst. Mehr Fragen, als Waben fassen. Wem Antwort abverlangen in Zeiten aus Wachs? Jedes Versprechen ist Leere und deren Gewissheit, denn unredlich süß schmeckt Berührung. Herz aus deiner Rinde geschält? Die Borke weint Honig in eine nie getöpferte Vase.
IGELNEST
Wie verschmerzt du meine Stichelei? – Wundworte ins Gutgemeinte. Warum willst du mich – dein Rückgrat kerbend – kantigen Klotz tragen? Warum darf ich mich einigeln in dir und geborgen sein? Du, meine Schwäche und Wundstelle. Du Atemzug Ansteckung, reizend und bleiern. Du steter Fiebergrund, Herz- und Kopfzerbrechende. Du Gemütsdorn, Seelenstein, Klettenstich und Ansporn.
GEBLEICHT
Lektion an der Angsttafel, von Gleichungen gebleicht. Spürend wie warmer Urin durchs Hosenbein rinnt. Tränen und Kreide im Gesicht. Stehend in einer Pfütze gelber Bedrängnis. Frühe Gehversuche, bleigerahmt fürs Alter. Von Zerbrechlichkeit ummantelt ist mein Mut. Gelächter scheucht mich ins Gehäuse der Kindheit.
MEINE GITARRE
Meine Gitarre ist irgendeine Gitarre. Meine Stimme ist ein auf und ab, ist eine Schaukel, ein her und hin, meine Stimmung. Meine Lieder sind meine Lieder. Ich bin mein Lied, mein Liebeslied bin ich. Meine Stimme will bestimmt nie unstimmig, irgendwie nur Stimme sein. Irgendeine Leidenschaft ist nie meine Leidenschaft.
WEGBESCHREIBUNG
Dort wo Gehirnbäche die Winkel der Seele benetzen wächst Klarheit. Ernte deinen Teil Erkenntnis mit Sinnlichkeit. Schuldgefühle gehören dazu. Für ein halbes Knie Leidensweg, zerfleischt auf den Altären, füllt sich der Kelch mit Absolution. Trinke nicht davon! Sünden die du gespurt hast markieren Wendepunkte. Spüre nach versöhnender Sprache, sie dort zu hören, wo Wege sich […]
HOCHDRUCK
mein blut spür pulsiert es liebt an dir ganz ungeniert und färbt bisweilen über beide ohren
KLEINBEHERZT
dehn mich nie lang kriech stunden bang durchs revier der mäuse streck keinäähn fühler splitter nackt in schleim bewährter schnecken art aus meinäähm gehäuse
SCHAM
Scham ist, hab ich jung gedacht, die traurige Zustimmung zu falscher Moral. Die Jahresringe haben mich Reife gelehrt, dass Scham auch Borke sein kann, ein gutes Stück Würde.
ALLESKLEBER
Der Schwätzer hinkt mit ohne Bein, fährt hin und her und allgemein tritt er in die Pedale. Sein Mund macht auch viel Winde her, macht seine Meinung wenig schwer, in jede Richtung, alle Male. Er flickt mit Worten, nach Gebrauch, Wahrheit, Ehre, Gummischlauch.